Über Alexander

Er war natürlich der schönste, klügste, bravste kleine Junge, den es je gegeben hat.

Äußerlich auffällig war die Haarsträhne am Hinterkopf, die ohne Farbpigmente deutlich von den zunächst dunklen Härchen abstach. Er scheint es gefühlt zu haben, daß da etwas nicht ganz gleichmäßig war, jedenfalls kraulte er schon mit ganz kleiner Hand diese Stelle. (Foto)

Seine sonstigen Vorlieben waren eindeutig Bücher, zunächst "Büchi" genannt, später in allen Varianten gelesen. Von Tim und Struppi, Pippi Langstrumpf, Geheimnis-Büchern bis zur Lebensgeschichte der Madame Curie, alles, was greifbar war im heimischen Bücherschrank oder bei der Großmutter und was die Stadtbücherei hergab.

Selbst Freundschaften wurden lesend gepflegt: wenn der Nachbarsjunge zu Besuch kam, versorgten sich beide erstmal mit Lesestoff, um dann gemütlich auf dem Rasen zu lümmeln und - jeder für sich - zu lesen.

Auch beim Fußball spielen mit der Schulklasse hatte Alexander, der als Torwart (er sagt, er war linksaußen!) eingesetzt war, Lektüre dabei und glücklicherweise eine Mannschaft, die sich eifrig vor dem gegnerischen Tor tummelte, so daß er die Zeit - für alle Fälle quer vor dem Tor liegend - genußvoll mit einem Buch totschlagen konnte. Über eine Karriere als Fußballer ist daher auch nichts bekannt, eher schon als Ruderer, aber auch im Ruder-Club hieß er bald nicht mehr nur Alexander, sondern Alexikon, was später noch verkürzt zu "Lexikon" wurde.

Soviel staubigem Bücherfanatismus mußte etwas entgegengesetzt werden, also raus mit dem Kind an die frische Natur und auf dem Lande in Rebenstorf Landluft schnuppern, in Form von rauchigen Holzkohlefeuern zu Ostern beim "Wache" halten für den ortsüblichen Osterklumpen. Beim Gang über die Felder stellt die Bäuerin fest, der Junge wird mal Professor! Wieso? Er fragt soviel!

Was kann man sonst noch lesen, außer Büchern? Fahrpläne, Metrospinnen, Landkarten, Straßenkarten, touristische Wegweiser, sogar Telefonbücher. Für Alexander ist das alles höchst interessant. Aber daß er ein Telefonbuch auswendig gelernt hätte, ist eine Legende, bzw. nur ein kleines mathematisches Rechenexempel, das man verdutzten Mitschülern erfolgreich als Zauberkunststück präsentieren kann, wenn man xyz minus zyx gleich abc, wobei xyz größer als zyx sein sollte, dann plus cba rechnet und dann anschließend die Namen und Telefonnummern der Seite 1089 aus dem Telefonbuch frei ausposaunt.

Apropos Posaune! Sein musikalisches Talent zeigte sich erstmals im zarten Alter, als er beim Weihnachtsfest im Kindergarten das Triangel spielen durfte. Dabei blieb es freilich nicht, bald kam die Blockflöte hinzu und ein Klavier stand im Haus bereit.

Die erste Klavierlehrerin war hochbetagt, kannte noch Beethoven! Das stimmt natürlich nicht, ist eine freie Erfindung von mir. Jedenfalls bekam er klassische Klavierstunden und mochte gerne auch Konzerte anhören, im Konzertsaal und jede Menge Klaviermusik auf CDs. Glenn Gould und Goldbergvariationen bis zum Abwinken.

Ein weitere Leidenschaft von Alexander sind Briefmarken. Das muß irgendwie genetisch bedingt sein. Schon die Großmutter (mütterlicherseits) hatte viel Freude am Briefmarken-Sammeln, und allen Verwandten bekannt ist ja der Großvater (väterlicherseits), der sozusagen eine dienstliche Beziehung zum Hobby machte und das sind bis heute Briefmarken.

Briefmarken bilden! Schließlich werden die Sehenswürdigkeiten, die Naturschönheiten und kulturelle Dinge auf den Marken erfaßt. Für den Philatelisten ist es gut, ein recht abgeschlossenes Sammelgebiet zu haben, also begann Alexander mit dem Sammeln von Briefmarken der Färöer (Føroyar). Irgendwann kam die Idee auf, daß man in den Ferien zu den Inseln hinfahren könnte, um sich die Bilder auf den Marken in natura anzusehen.

© by Postverk Føroyar

Schon das Buchen einer Reise zu den Färöern gestaltete sich schwierig, denn kein Pauschalreiseanbieter hat so etwas im Programm. Aber wie lautet Alexanders Wahlspruch? Der Weg ist das Ziel! Und so kamen wir schließlich in den Genuß einer sehr individuellen Seereise zu den Färöern, die ich in stets guter Erinnerung behalten werde.

Zum Abschluß dieser kleinen Gechichten (bitte nicht reklamieren, daß da ein "s" fehlt, Alexander ist ja beinahe ein Pfälzer und liebt es, den ehemaligen Kanzler ein wenig zu imitieren) möchte ich noch darauf hin weisen, daß das junge Paar den Honeymoon nach Liechtenstein verlegt hat. Auch dies ist ein Sammelgebiet für Briefmarken! Mal sehen, wohin die Briefmarken ihn noch führen werden.